Erfahrungsbericht Michele

Jan 31st, 2009 | By | Category: Erfahrungsberichte

Venezuela 28. März 2004

Hola mi querido, mi querida,

bin am Flughafen. Fuehl mich hier fehl am Platz. War acht Tage an der Grenze Kolumbiens. Zulia, der reichste Staat Venezuelas, dort wo das Erdöl für die USA und ganz Europa gefördert wird. Dort
sterben die Kinder an Hunger und Unterernährung. Benposta, hat hier kurz bevor ich gekommen bin ein Jungen beerdigt. Sechs Jahre alt, acht Kilo schwer.

Añu heißt die eingeborene Volksgruppe, die in Palafitos (Pfahlbauten-Siedlung) wohnen. Venezuela hat seinen Namen von den Seefahrern, die hier ein Klein-Venedig vorfanden. Die Añus sind Künstler im fischen und Korbflechten. Sie wohnen auf dem Wasser, unter Kokospalmen oder bei den Mangroven. Doch werden sie von den Guijaras vertrieben, weg von der Lagune hinein ins Landesinnere in Richtung der Grenze zu Kolumbien. Dorthin flüchten auch kolumbianische Familien, aus Angst vor den Guerillas. Genau dort beanspruchen aber auch die reichen Großgrundbesitzer ihr Land für sich, ihre Viehzucht und Landwirtschaft. Die einzige Möglichkeit hier zu überleben ist sich zu “verkaufen”. Die ganze Familie, im durchschnitt mit sieben Kindern, damit sie ihren täglichen Reis verdienen können. Sie wohnen mit den Tieren im Stall.

Benposta tritt dem Staat die Türen ein. Wir sind mit den Kids vor den Palast des Präsidenten gesessen, bis sie mit Lebensmitteln und Lastwagen für die Hauskonstruktion angefahren sind…. Aus Japan wurde Schulmaterial und velos gesandt für den Unterricht, der zur Zeit noch im Freien stattfindet. Mittags kommen 120 Kinder und füllen sich freudig den Parasitenbauch….. Meine italienische Spaghetti-Sauce haben die
kleinen nicht zu schätzen gewusst – war es doch das erste Mal, dass sie Tomaten im Teller hatten…

Wie in allen vergessenen Flecken auf unserem Planeten sind die katholischen Missionare die, die wirklich Hand anlegenen, und nicht nur schön reden. Ja, ich stecke in einem Dilemma. Lege (zu-)viel Kritik an. Frage, warum die leute hier Matratzen statt Hängematten geschenkt bekommen oder warum sie sich nicht gegenseitig lausen dürfen, ist es doch ein Akt der Zuneigung? Und meine Spaghetti-Sauce? So verliert sich eine wertvolle Kultur. Beeinflusst von kolumbianischen Bräuchen und der missionarische Einfluss, der jedoch unersetzlich ist, wenn diese Bewohner hier nicht in ihrer eigenen Armut elend zugrunde gehen wollen.

98 prozent der Erwachsenen sind Analphabeten. Es ist lustig, ihnen ihren eigenen Namen schreiben zu lehren. Stolz zeigen sie ihr neue Identitaetskarte. Doch fehlt ihnen auch bald ein Fernseher und die Waschmaschine? An das Tragen von Schuhen, werden sie sich aber nicht so schnell gewöhnen!

Wichtig, falls Du jemanden kennst, der gerne zwei Monate als Freiwilliger arbeiten möchte, Benposta sucht für die interne Betreuung (ca. 20 Kinder) dringend Freiwillige für Unterricht, Haushalt, Basteln, Sport,
Hauskonstruktion, Laustante, Zahnpflege oder was auch immer Du kannst. Es wartet hier eine wunderschoene Kinderschar und eine riesig liebe und grossartige Projektleitung!
Weitere Informationen bei mir. Email: mi.pete(at)gmx.net

Hier ein Foto mit einem Teil der Dorfbewohner vor einem Palafito (zur Vergrößerung klicke auf das Bild). Siehst Du, dass sie zum ersten Mal in eine Kamera schauen?

Allerwaermste Grüße, Moskito verstochen aber mit tiefzufriedener Seele,

Michele

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